Europa auf Rückzug: Droht das Ende des Green Deal?

Europa auf Rückzug: Droht das Ende des Green Deal?

Wie die EU unter dem Druck von Wirtschaft und Rechtspopulismus zentrale Umweltgesetze zurückfährt – und was das für die Zukunft des Klimaschutzes bedeutet.

 

Von der Klimavorreiterin zur Bremserin?

Die Europäische Union galt mit ihrem ambitionierten Green Deal lange als globales Vorbild im Umwelt- und Klimaschutz. Doch in den letzten Monaten hat sich der Wind spürbar gedreht: Zentrale Umweltinitiativen werden verschoben, abgeschwächt oder gänzlich gestrichen. Kritiker:innen sprechen bereits von einem “klimapolitischen Rollback”, das die EU teuer zu stehen kommen könnte – ökologisch wie geopolitisch.

 

Die grüne Wende im Rückwärtsgang

Besonders auffällig ist die plötzliche Kehrtwende bei gleich mehreren Kernprojekten:

Anti-Greenwashing-Gesetz: Die geplante Verordnung, die Verbraucher:innen besser vor irreführenden Nachhaltigkeitsversprechen schützen sollte, wurde von der EU-Kommission überraschend auf Eis gelegt.

Lieferkettengesetz gegen Entwaldung: Die Umsetzung des Gesetzes, das verhindern sollte, dass Produkte aus Entwaldung auf den europäischen Markt gelangen, wurde signifikant abgeschwächt.

CO₂-Grenzausgleich (CBAM): Ein zentrales Instrument zum Schutz des europäischen Marktes vor billigen, klimaschädlichen Importen wird verzögert – unter dem Vorwand, europäische Unternehmen nicht zu überfordern.

Schutzstatus des Wolfs: Nach massivem Lobbydruck aus der Landwirtschaft wurde der Schutzstatus des Wolfs durch die EU-Kommission gelockert – ein Schritt, den Naturschutzverbände als fatales Signal bewerten.


Die neue Dynamik: Wirtschaft vor Klima?

Hinter diesen Entscheidungen stehen wachsende politische Spannungen. Konservative und wirtschaftsnahe Fraktionen  – kritisieren, dass der Green Deal europäische Unternehmen zu sehr belaste. Gleichzeitig gewinnen rechtspopulistische Parteien, die Umweltschutz oft als Bedrohung für nationale Souveränität darstellen, in vielen EU-Staaten an Einfluss.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verteidigte die Kurskorrekturen als “pragmatische Anpassungen” im Zeichen geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten. Doch viele Umweltorganisationen sehen darin eine gefährliche Kapitulation vor kurzfristigen Industrieinteressen.

 

“Das falsche Signal an die Welt”

Für Umweltaktivist:innen wie Greta Thunberg und Organisationen wie Greenpeace und WWF ist der Trend alarmierend. “Die EU verliert ihre Glaubwürdigkeit als Vorreiterin im Klimaschutz”, warnt Greenpeace-Europa-Chefin Ariadna Rodrigo. Gerade in einer Zeit, in der die Klimakrise weltweit eskaliert, sende Europa das “falsche Signal an die Weltgemeinschaft”.

Auch aus wirtschaftlicher Sicht könnte der Rückschritt teuer werden: Während andere Regionen wie die USA mit dem Inflation Reduction Act massiv in grüne Technologien investieren, droht Europa ins Hintertreffen zu geraten – sowohl ökologisch als auch ökonomisch.


Zivilgesellschaft mobilisiert sich

Doch der Widerstand wächst. Umweltverbände, Bürgerbewegungen und einige progressive EU-Mitgliedsstaaten machen gegen den Rollback mobil. Petitionen, Protestaktionen und neue Koalitionen – etwa für ein verbindliches Recht auf Reparatur – gewinnen an Fahrt. Die Europawahl 2024 hat gezeigt, dass Umweltthemen weiterhin viele Menschen bewegen, auch wenn die politische Landschaft insgesamt fragmentierter wird.

Wendepunkt oder Rückschritt?

Ob sich die Deregulierungswelle verstetigt oder ob die Zivilgesellschaft und klimabewusste politische Kräfte den Green Deal doch noch retten können, bleibt offen. Sicher ist: Die kommenden Monate werden entscheidend dafür sein, ob Europa weiterhin eine globale Führungsrolle im Kampf gegen die Klimakrise beanspruchen kann – oder ob es sich schrittweise aus der Verantwortung zurückzieht.

Ernährungssicherheit weltweit in Gefahr: Eine stille Krise mit globaler Sprengkraft

Ernährungssicherheit weltweit in Gefahr: Eine stille Krise mit globaler Sprengkraft

Ernährungssicherheit ist mehr als die Abwesenheit von Hunger. Sie bedeutet: Jeder Mensch hat jederzeit Zugang zu ausreichender, nährstoffreicher und sicherer Nahrung. Doch dieses Menschenrecht gerät laut dem neuen „Global Report on Food Crises 2025“ zunehmend unter Druck – durch Konflikte, Klimakrise, Wirtschaftskrisen und sinkende internationale Hilfe. 

 

Globale Lage: Ein System unter Stress

Rekordniveau bei Ernährungsunsicherheit
Laut dem aktuellen „Global Report on Food Crises 2025“ leiden weltweit über 280 Millionen Menschen unter akuter Ernährungsknappheit. In 59 Ländern ist die Situation kritisch – von der Sahelzone bis nach Haiti. Besonders gefährdet: über 14 Millionen Kinder unter fünf Jahren, deren Entwicklung durch Mangelernährung dauerhaft beeinträchtigt wird.

 

Zahl der Menschen, die in den Ländern mit einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert sind

 

Rückgang der internationalen Hilfe
Die UN-Welternährungsprogramme (WFP) und zahlreiche NGOs schlagen Alarm: Wegen sinkender Gebermittel müssen Notfallrationen gekürzt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass die globale Ernährungshilfe 2025 um bis zu 45 Prozent schrumpft – bei gleichzeitig wachsender Bedürftigkeit.

 

Klimarisiken verschärfen die Krise
Immer häufigere Dürren, Fluten und Stürme machen Landwirtschaft in vulnerablen Regionen unplanbar. Länder mit ohnehin begrenzten Ressourcen sind doppelt betroffen: Sie verlieren Erträge – und können sich steigende Weltmarktpreise nicht leisten.

 

Ernährungssicherheit auch in Europa unter Druck
Auch in der EU sind laut Eurostat knapp 60 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen – insbesondere durch Inflation, Energiepreise und Wohnkosten. Besonders betroffen: Alleinerziehende, armutsgefährdete Haushalte und marginalisierte Gruppen.

 

Ursachen im Überblick

Konflikte (z. B. Sudan, Ukraine, Gaza) unterbrechen Lieferketten und zerstören Anbauflächen.
Preisschocks durch Währungsabwertungen und steigende Energie-/Transportkosten.
Exportbeschränkungen bei Getreide, Reis und Düngemitteln verschärfen globale Abhängigkeiten.
Klimakollaps trifft die Ernte direkt – und damit das Recht auf Nahrung.

 

Lösungen

Klimagerechte Ernährungspolitik international denken
Klimahilfe darf nicht isoliert betrachtet werden – sie muss Ernährungssysteme langfristig sichern helfen.

 

Finanzierung von Ernährungshilfe sichern
Die internationale Gemeinschaft muss Hungerbekämpfung als oberste Priorität behandeln – auch bei konkurrierenden Krisen.

 

Lokal widerstandsfähige Systeme fördern
Resiliente Landwirtschaft mit lokalem Saatgut, Wassermanagement und Agroforstsystemen sichert Unabhängigkeit und stärkt Ernährungssouveränität.

 

Recht auf Nahrung verteidigen
Ernährung ist ein Menschenrecht – und darf nicht Marktmechanismen allein überlassen bleiben.

 

Die Welt steht am Rand einer humanitären Ernährungskrise, die politisch weitreichende Folgen haben kann – von Migration bis Instabilität. Ernährungssicherheit muss wieder ins Zentrum der internationalen Zusammenarbeit rücken. Denn kein Mensch sollte hungern müssen – schon gar nicht in Zeiten des Überflusses.

 

Link: 2025 Global Report on Food Crises

Erste Hitzewelle in Österreich kurz vor Ferienbeginn

Erste Hitzewelle in Österreich kurz vor Ferienbeginn

Österreich erlebt die erste Hitzewelle des Jahres mit extremen Temperaturen bis zu 38 Grad und teils heftigen Gewittern. Besonders betroffen davon ist das südlichste Bundesland Kärnten. Durch den fehlenden Niederschlag der letzten Wochen steigt in Unterkärnten und auch Teilen der Steiermark die Waldbrandgefahr stark an. Von der enormen Hitze betroffen sind speziell ältere Menschen und Kinder, aber auch obdachlose und armutsgefährdete Menschen. Messungen eines groß angelegten Hitzemonitorings der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien und Greenpeace ergaben im Juni viel zu heiße Klassenzimmer und Wohnungen.

 

Dieser Juni ist einer der heißesten jemals gemessenen seit Beginnn der Aufzeichnungen. So wurden am Dienstag in Klagenfurt und Villach jeweils über 36 Grad Celsius gemessen und gestern erreichte Feistritz ob Bleiburg im Bezirk Völkermarkt die rekordmarke von 38,3 Grad Celsius. Das ist der höchtse jemals in Kärnten gemessene Wert für Juni. Insgesamt gab es in allen Landeshauptstädten mehr Hitzetage als zuvor. So waren es bis dato bereits 11 Tage über 30 Grad in Wien und Innsbruck, während es durchschnittlich 5 bzw. 6 Hitzetage waren. Dies bestätigte auch Alexander Orlik, Klimatologe bei der Geosphere Austria auf APA-Nachfrage am Mittwoch. „Er war überdurchschnittlich warm. Zum Beispiel gibt es schon jetzt – vor Ende des Monats – mehr Tage mit mindestens 30 Grad als in einem durchschnittlichen Juni.“

Die gestrigen Unwetter, die auf die enorme Hitze folgten, brachten Starkregen mit lokalen Überflutungen, Hagel und Sturmböen mit sich, die zum Teil größere Schäden anrichteten. Dennoch war der Regen insgesamt dringend notwendig.

 

Hitze-assoziierte Erkrankungen erkennen

Hitze zählt zu den tödlichsten Folgen des Klimawandels und sollte daher nicht unterschätzt werden. Das deutsche Robert-Koch-Institut und die MedUni Wien weisen seit Jahren auf eine klar nachweisbare hitzebedingte Übersterblichkeit hin. Bislang wurden aber weder Temperatur noch Luftfeuchtigkeit am Ort des Aufenthalts der Patient:innen routinemäßig erfasst und dokumentiert. Dadurch bleibt die Anamnese lückenhaft.

Das Österreichische Rote Kreuz stattet seine Sanitäter:innen nun mit kompakten Thermo-Hygrometern aus, die wesentliche Umweltparameter am Einsatzort messen. Die ermittelten Werte werden mit den Patient:innen an die weiterführende behandelnde Stelle übergeben. Dank dieser durchgehenden Informationskette vom Wohnzimmer bis zur Notaufnahme können Hitze-assoziierte Erkrankungen besser erfasst und nach ICD-Code kategorisiert werden.

 

Hitzetelefon 0800 880 800 hilft mit Infos und Tipps

Mit 26. Juni 2025 nahm das österreichweite Hitzetelefon wieder seinen Betrieb auf. Unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 880 800 bietet es rasch und unkompliziert Informationen und Tipps zum richtigen Verhalten bei großer Hitze – besonders für ältere Menschen, chronisch Kranke und pflegebedürftige Personen ist das ein wichtiger Service.Das Hitzetelefon ist Teil des nationalen Hitzeschutzplans und trägt dazu bei, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels abzufedern.Tipps des Gesundheitsministeriums bei großer Hitze:

Ausreichend trinken, gerade im Sommer steigt der Bedarf, wenn man viel schwitzt
Körperliche Anstrengung in die kühleren Morgenstunden verlegen
Wohnräume kühl halten (z. B. durch Lüften in der Nacht)
Auf Anzeichen von Überhitzung achten (z. B. Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Krämpfe, Benommenheit)
Besonders gefährdete Personen im Umfeld aktiv unterstützen

 

BOKU Hitzemonitoring

Greenpeace und die Universität für Bodenkultur (BOKU) zeigen: In Wiener Klassenzimmern wird es zu heiß. Die Ergebnisse von Messungen aus dem Gymnasium Maroltingergasse im 16. Bezirk sind alarmierend: Seit 27. Mai wurden an 25 Tagen über 27 Grad in den Klassenzimmern gemessen. An bis zu 16 Tagen war es während des Unterrichts je nach Raum sogar über 30 Grad heiß. Neben der Schule untersucht die Umweltschutzorganisation über den gesamten Sommer zusammen mit der BOKU im Rahmen eines groß angelegten Hitzemonitorings, wie stark sich Innenräume in Wien aufheizen. Greenpeace fordert ein Sofortprogramm vom Bund für hitzetaugliche Schulen – inklusive Sanierungen, außenliegende Beschattung und modernen Lüftungsanlagen. Die Live-Daten aus den Schulklassen und Wiener Wohnungen sind unter act.gp/HitzeDashboard einsehbar.

Herbert Formayer, Professor am Institut für Meteorologie an der BOKU: „Die Durchschnittstemperatur in Österreich liegt bereits um 3,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Der Großteil der Erwärmung erfolgte seit den 1980er Jahren. Viele österreichische Schulen sind deutlich früher und damit unter anderen Bedingungen gebaut worden. In Klassenzimmern ohne entsprechende Maßnahmen gegen Überhitzung wie in der Maroltingergasse spitzt sich die Situation prekär zu. Gleichzeitig ist es keine Option, die Fenster untertags geschlossen und die Hitze draußen zu halten – bereits innerhalb von 20 Minuten steigt der CO₂-Gehalt ohne Lüftung auf unzumutbare Werte.”

Ergänzend meint Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich: „Hitzeschutz in Schulen ist kein Luxus, sondern eine notwendige Maßnahme für Bildungsgerechtigkeit – und ein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz.”

 

Caritas Hitze-Paket mit „Sommerfrische im Pfarrgarten“

Gemeinsam mit 23 Pfarren in Wien und Niederösterreich ruft die Caritas heuer zum sechsten Mal das Motto „Sommerfrische im Pfarrgarten“ aus. Mehr als 500 Freiwillige verköstigen die Gäste in den schattigen Pfarrhöfen mit kühlen Getränken und kleinen Snacks und bieten einen kostenlosen Zufluchtsort zum Abkühlen in netter Gesellschaft zum Plaudern.

„Die einen freuen sich, dass der Sommer mit Verspätung endlich da ist. Für andere stellt die Hitze eine enorme Herausforderung dar. Es sind vor allem obdachlose, armutsbetroffene, aber auch hochbetagte Menschen, für die diese Temperaturen rasch gefährlich werden können“, betont Caritasdirektor Klaus Schwertner. „Wir beobachten auch heuer, was wir vor wenigen Jahren noch nicht vermutet hätten: Die Nachfrage nach unserer Hilfe ist gerade auch in den Sommermonaten hoch. Obdachlose Menschen sind der Hitze in der Stadt oft schutzlos ausgeliefert. Und auch armutsbetroffene Menschen, die häufig in beengten, schlecht gedämmten Wohnungen leben, können der Hitze weniger gut entfliehen. Mit dem Caritas Hitze-Paket wollen wir auch heuer wieder Abhilfe schaffen und Menschen in Not während der heißen Jahreszeit gezielt unterstützen – etwa in unseren 23 Klimaoasen, mit Streetwork-Einsätzen und dem Verteilen von Trinkwasser, Sonnenschutz und Sommerschlafsäcken, aber auch beim Louisebus, der rollenden Ordination der Caritas.“

Aktuelle Termine der Caritas-Klimaoasen: www.caritas-wien.at/klimaoase

 

 

Lithiumabbau in Portugal: Die Schattenseite der Energiewende

Lithiumabbau in Portugal: Die Schattenseite der Energiewende

In einer abgelegenen Region Portugals steht ein Konflikt zwischen Rohstoffhunger und kultureller Identität symbolisch für die Problematik der Energiewende. Wie kann diese gelingen, ohne dabei großen Schaden an der Natur und den Menschen vor Ort zu nehmen?

 

In Covas do Barroso, einer abgelegenen Region im Norden Portugals, stehen vier geplante Lithium-Tagebaue im Zentrum eines wachsenden Konflikts. Hier trifft Europas strategisches Interesse an Batterierohstoffen auf eine jahrhundertealte Kulturlandschaft, die von nachhaltiger Landwirtschaft, Gemeinderecht und traditioneller Wasserbewirtschaftung geprägt ist. Die Region gilt als UNESCO-ähnlich schützenswertes Agrarerbe.

 

Warum Lithium – und warum hier?

Portugal verfügt über die größten bekannten Lithiumvorkommen der EU. Um den europäischen Green Deal voranzutreiben, plant die EU, mindestens zehn Prozent des künftigen Lithiumbedarfs aus eigenen Quellen zu decken. Der Rohstoff ist zentral für Elektrofahrzeuge, Energiespeicher und somit für die Klimastrategie Europas. In Covas do Barroso will das britische Unternehmen Savannah Resources jährlich genug Lithium fördern, um bis zu 500.000 Batterien zu beliefern.

 

Protest aus der Region

Doch der Widerstand vor Ort wächst. Die Bewohner sehen sich mit dem Verlust von Lebensraum, traditioneller Landwirtschaft und intakter Natur konfrontiert. Kritisiert werden unter anderem:

massive Bodenversiegelung und Staubbelastung durch Schwerverkehr,
Wasserverbrauch in einer niederschlagsarmen Region,
Risiken für das regionale Flusssystem, etwa bei Starkregen,
mangelnde Einbindung der lokalen Bevölkerung in Genehmigungsverfahren.

Bürgerinitiativen sprechen von einer „grünen Kolonialisierung“ – die Energiewende werde auf Kosten ländlicher Räume durchgesetzt, ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit.

 

Ein Demokratiedefizit?

Viele werfen den Behörden vor, das Projekt durch den „Critical Raw Materials Act“ als strategisch einzustufen, um Umweltverträglichkeitsprüfungen zu verkürzen. Dabei könnten genau diese Prüfungen entscheidend sein, um Umweltrisiken frühzeitig zu erkennen. Auch das traditionelle Gemeinderecht, das eine Mitbestimmung über sogenannte „baldios“ – gemeinschaftlich genutzte Flächen – vorsieht, scheint ignoriert worden zu sein.

 

Was wäre die Alternative?

Kritiker fordern eine grundlegende Strategieänderung:

deutlich mehr Investitionen in Batterie-Recycling und Sekundärrohstoffe,
Reduktion des Ressourcenverbrauchs durch kleinere Fahrzeuge und öffentliche Mobilität,
transparente Verfahren mit echter Bürgerbeteiligung vor Ort,
verbindliche ökologische Standards auch für strategisch eingestufte Rohstoffe.

 

Wie sollte man vorgehen

Echte Bürgerbeteiligung
Transparente Information und frühe Einbeziehung sichern Vertrauen und reduzieren Konflikte.

Umweltverträglichkeit priorisieren
Insbesondere Staub-, Geräusch- und Erdbebenrisiken sind wissenschaftlich fundiert nachzuweisen und zu minimieren.

Innovationsförderung & Recycling stärken
Fördermittel gezielt in „grünes Lithium“ und Kreislaufwirtschaft investieren, statt allein auf Primärabbau zu setzen .

Regionale Konflikte ernst nehmen
Spezifische regionale Bedenken wie Bodenrechte oder Wasserverbrauch müssen individuell adressiert werden.

 

Ein Symbolfall für Europa

Der Konflikt in Covas do Barroso ist kein Einzelfall, sondern beispielhaft für eine zentrale Frage der Energiewende: Wie können wir saubere Technologien fördern, ohne neue Ungerechtigkeiten zu schaffen? Eine echte grüne Transformation kann nur gelingen, wenn sie sozial gerecht, ökologisch ausgewogen und demokratisch legitimiert ist.

In Österreich und Deutschland stehen Lithiumprojekte vor ähnlichen Herausforderungen: Akzeptanz in der Bevölkerung hängt entscheidend von Transparenz, Beteiligung und verlässlichen Umweltlösungen ab. Projekte mit „grünem Anspruch“ – wie geothermale Lithiumgewinnung – bieten Chancen, müssen sich jedoch technologisch und kommunal beweisen. Nur so lässt sich Lithium nachhaltig und gesellschaftlich unterstützt gewinnen – im Einklang mit Umwelt- und Klimazielen.

Kreislaufwirtschaft: Neue EU-Regeln für Fahrzeugrecycling

Kreislaufwirtschaft: Neue EU-Regeln für Fahrzeugrecycling

Ein Meilenstein für nachhaltige Mobilität: Am 17. Juni 2025 haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf neue Vorschriften zur Recyclingfähigkeit von Fahrzeugen geeinigt. Damit reagiert Europa auf die steigenden Rohstoffpreise, Klimaziele und die Notwendigkeit, Elektromobilität ressourcenschonend zu gestalten. Die neue Regelung ist Teil der überarbeiteten „End-of-Life Vehicles Directive“ und gilt als Kernstück des europäischen Kreislaufwirtschaftsplans.

 

Was ist neu?

Recycling schon bei der Fahrzeugentwicklung
Künftig müssen Autohersteller schon bei der Konzeption nachweisen, dass ihre Modelle recyclinggerecht gestaltet sind. Komponenten sollen leichter trennbar, Materialien wiederverwertbar und die gesamte Fahrzeugstruktur für Demontage optimiert sein.
Mindestquoten für Rezyklate
Hersteller müssen in Neufahrzeugen einen Mindestanteil von recycelten Kunststoffen verwenden:

15 Prozent innerhalb der nächsten sechs Jahre
Steigerung auf 25 Prozent nach zehn Jahren

Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR)
Die neue Verordnung weitet die Rücknahme- und Verwertungspflichten deutlich aus – nicht nur auf Pkw, sondern auch auf leichte Nutzfahrzeuge, Zweiräder und Einsatzfahrzeuge. Hersteller tragen künftig mehr Verantwortung für die Verwertung ihrer Produkte am Lebensende.
Recyclingziele für Metalle und kritische Rohstoffe in Arbeit
Stahl, Aluminium, Kupfer und seltene Erden rücken in den Fokus. Die EU plant, auch hier verbindliche Recyclingquoten einzuführen – insbesondere für Batterien und Hochvoltsysteme.

 

Warum ist das wichtig?

Rohstoffsicherung: In jedem Fahrzeug stecken über 30 verschiedene Materialien. Ihre Rückgewinnung reduziert die Importabhängigkeit der EU – etwa bei Aluminium, Kobalt oder Lithium.
Klimaschutz: Die EU-Kreislaufwirtschaft spart laut Studien rund 90 Prozent CO₂ gegenüber der Neuproduktion von Metallen und Kunststoffen.
Verkehrswende ganzheitlich denken: Recycling ist die notwendige Ergänzung zu E-Mobilität und Verkehrselektrifizierung. Ohne Kreislaufwirtschaft ist keine nachhaltige Transformation möglich.

 

Empfehlungen

Innovation fördern
Unternehmen brauchen Planungssicherheit, Investitionshilfen und Forschungspartnerschaften für recyclinggerechtes Design.
Transparenz schaffen
Recyclingquoten, Rücknahmeverpflichtungen und verwendete Materialien müssen nachvollziehbar deklariert werden – auch für Konsumenten.
Recyclinginfrastruktur modernisieren
Es braucht EU-weit leistungsfähige und spezialisierte Demontagezentren, insbesondere für E-Fahrzeuge und Batterien.
Circular Economy zum Standard machen
Das Prinzip der Wiederverwendung und des Rückflusses in den Produktionsprozess muss zur Norm werden – nicht zur Ausnahme.

Die neuen Recyclingvorgaben markieren einen Wendepunkt für die europäische Automobilwirtschaft. Sie zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht bei der Abgasanlage aufhört, sondern bei der Ressourcennutzung beginnt. Eine glaubwürdige Verkehrswende braucht eine Kreislaufwirtschaft, die genauso ambitioniert ist wie die CO₂-Ziele. Nur dann wird aus der Mobilität von morgen ein echter Fortschritt – für Mensch, Klima und Umwelt.

 

Circular Economy 2025: Finanzierungslücken geschlossen

Circular Economy 2025: Finanzierungslücken geschlossen

Die Kreislaufwirtschaft kommt in der Realität an – mit neuer EU-Förderung und konkreten Pilotprojekten in mehreren Mitgliedstaaten.

Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft galt lange als ambitioniertes Ziel – ökologisch notwendig, wirtschaftlich jedoch schwer greifbar. Ein zentrales Hindernis: fehlende Investitionsbereitschaft, unsichere Skalierung und wenig praxistaugliche Modelle. Das ändert sich jetzt spürbar.

Im Rahmen des EU-LIFE-Programms wurden kürzlich auf der Reuse Economy Expo in Paris erstmals konkrete Förderstrukturen und internationale Pilotprojekte vorgestellt, die zeigen: Die Circular Economy ist auf dem Weg in die Umsetzung – strukturiert, finanziert und wirtschaftlich denkbar.

 

Neue Impulse durch EU-Fördermechanismen

Die LIFE-Förderlinie „Circular Economy and Quality of Life“ ermöglicht gezielte Unterstützung für Unternehmen, Kommunen und Innovationszentren, die zirkuläre Geschäftsmodelle realisieren. Gefördert werden unter anderem:

ReUse- und ReManufacturing-Plattformen
Digitale Rücknahmesysteme
Reparaturzentren und regionale Rohstoffbörsen
Zertifizierungssysteme für Sekundärmaterialien

Damit schließt die EU eine zentrale Lücke: Viele Unternehmen hatten in den letzten Jahren Pilotideen, scheiterten jedoch an der Finanzierung oder rechtlichen Unsicherheit. Nun stehen nicht nur Mittel, sondern auch ein klarer Bewertungsrahmen zur Verfügung.

 

Beispiele aus der Praxis

Sechs Mitgliedstaaten präsentierten aktuelle Projekte – vom regionalen Alttextil-Kreislauf in Nordfrankreich bis zur cloudbasierten Rückführung von Industriekomponenten in Slowenien. Gemeinsam ist allen: Partnerschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette und ein klares Ziel, stoffliche Ressourcen länger im Umlauf zu halten.

Ein besonders interessantes Beispiel kommt aus Belgien, wo eine „Circular Construction Hub“ Plattform entwickelt wurde, die Wiederverwendung von Baustoffen für öffentliche Aufträge vorschreibt – digital erfasst, dokumentiert und mit ESG-Zielen verknüpft.

 

Was Unternehmen jetzt wissen sollten

Fördermöglichkeiten sind verfügbar – auch für kleinere Betriebe oder regionale Kooperationen.
Prozesse der Materialrückführung, Verlängerung von Produktlebenszyklen und Digitalisierung werden als Schlüsselthemen behandelt.
Nachhaltige Innovationen werden nicht mehr nur ökologisch, sondern zunehmend auch wirtschaftlich honoriert – etwa durch Förderboni, günstigere ESG-Ratings oder Impact-Investments.

 

Die Circular Economy entwickelt sich 2025 von der Strategie zur Umsetzung. Mit gezielter Förderung, realen Beispielen und wachsendem politischem Rückhalt wird deutlich: Kreislaufwirtschaft ist mehr als ein Ideal – sie wird ein praktisches Geschäftsmodell.

Klimafinanzierung im Fokus – London Climate Action Week 2025

Klimafinanzierung im Fokus – London Climate Action Week 2025

London Climate Action Week 2025 – und was Unternehmen jetzt tun sollten

Klimaschutz braucht Kapital. Doch wie wird sichergestellt, dass Geldflüsse dorthin gelenkt werden, wo sie Wirkung entfalten – in echte Transformation statt Greenwashing? Diese zentrale Frage stand im Mittelpunkt der diesjährigen London Climate Action Week, einem der wichtigsten europäischen Branchentreffen für Climate Finance, ESG-Investment und nachhaltige Unternehmensfinanzierung.

Die Veranstaltung machte deutlich: Die Finanzwelt ist bereit, eine aktive Rolle in der Transformation zu übernehmen. Doch es braucht mehr Klarheit, mehr Transparenz – und vor allem: bessere Instrumente, um Wirkung nachweisbar zu machen.

 

Was diskutiert wurde – drei zentrale Trends

1. Von ESG zu Impact
Investoren und Kapitalmärkte verlangen zunehmend messbare Wirkung statt nur regelkonformes Reporting. Green Bonds, Sustainability-linked Loans und Impact Funds gewinnen an Bedeutung – aber nur, wenn Projekte mit belastbaren KPIs unterlegt sind.
Folge für Unternehmen: Nachhaltigkeit muss investitionsfähig werden. Wer Transformation glaubwürdig finanzieren will, muss Wirkung zeigen – in CO₂-Einsparung, sozialen Indikatoren oder Lieferkettenqualität.

 

2. Transparenz wird regulatorisch verankert
Die Debatte rund um Greenwashing und schwammige ESG-Bewertungen führt zu konkreten Maßnahmen:

Die EU finalisiert ihren Green Claims Act,
Standards wie ESRS und ISSB setzen verbindliche Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Folge für Unternehmen: ESG-Reporting wird zur betriebswirtschaftlichen Pflicht – nicht nur zur Kommunikation, sondern als Entscheidungsgrundlage für Kapitalzugang.

 

3. Public-Private-Kooperationen als Beschleuniger
Große Klimaziele lassen sich nicht allein durch Marktmechanismen erreichen. Die Konferenz zeigte: Förderbanken, Investoren, Staaten und Unternehmen müssen enger kooperieren. Blended Finance, Garantien und skalierbare Modelle werden als neue Finanzierungsinstrumente erprobt.
Folge für Unternehmen: Es lohnt sich, Förderstrukturen und Kooperationsmodelle aktiv zu verfolgen – besonders in Energie, Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung.

 

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Positionierung zählt. Wer glaubwürdig Nachhaltigkeitsziele verfolgt und diese mit transparenten Daten, Standards und Geschäftsstrategien unterlegt, hat deutlich bessere Chancen auf Finanzierung, Partnerschaften und Marktzugang.

Konkrete Handlungsschritte:

Nachhaltigkeitsstrategie mit Finanzierungslogik verbinden
ESG-Reporting standardkonform und prüfbar aufsetzen
Wirkungskennzahlen (Impact-KPIs) erheben und offenlegen
Zugang zu grünen Finanzierungsformen prüfen (z. B. Green Loans, Förderungen, EU-Projekte)

Die London Climate Action Week 2025 hat eines klargemacht: Geld ist da – aber es folgt der Glaubwürdigkeit. Unternehmen, die heute ihre Nachhaltigkeit mit Substanz, Struktur und Wirkung verbinden, schaffen sich einen Vorsprung im Wettbewerb um Kapital, Vertrauen und gesellschaftliche Akzeptanz.

Vom Braunkohle-Revier zum Solar-Hub

Vom Braunkohle-Revier zum Solar-Hub

Wie stillgelegte Tagebaue zur Schlüsselressource der Energiewende werden

Der Wandel der Energieversorgung bringt nicht nur neue Technologien, sondern auch neue Landschaften mit sich. Während alte Kohlegruben und Bergbauflächen jahrzehntelang für Emissionen, Umweltzerstörung und Strukturverlust standen, werden sie heute zu Hoffnungsträgern einer klimaneutralen Zukunft: als Standorte für großflächige Photovoltaik- und Speichersysteme.

Ein aktueller Bericht des Global Energy Monitor zeigt: Allein die Umwandlung von ehemaligen Kohletagebauen in Solarparks könnte weltweit bis 2030 über 300 Gigawatt (GW) zusätzliche erneuerbare Energie erzeugen – das entspricht der Leistung von über 250 Atomkraftwerken. Für viele strukturschwache Regionen bedeutet das nicht nur ökologischen Fortschritt, sondern auch wirtschaftliche Wiederbelebung.

 

Neue Nutzung für alte Flächen

In vielen Ländern – darunter Deutschland, Polen, die USA und Indien – werden bereits erste Projekte umgesetzt. Ehemalige Braunkohleflächen bieten ideale Voraussetzungen:

Große, ungenutzte Flächen

Direkte Netzanbindungen durch alte Kraftwerksstrukturen

Geringe Nutzungskonflikte mit Landwirtschaft oder Naturschutz

Bestehende Transformationspläne und Raumordnung

Was früher Symbol einer fossilen Ära war, wird nun zur Multifunktionslandschaft: Stromproduktion, Batteriespeicherung, Wasserstofferzeugung, Biodiversitätsflächen – teilweise alles auf einem Areal.

 

Chancen für Wirtschaft & Beschäftigung

Die solare Revitalisierung bringt neue Jobs, Wertschöpfung und Perspektiven für Regionen, die lange mit dem Strukturwandel ringen mussten. Bereits heute entstehen in Projektregionen neue Netzwerke aus Energieunternehmen, regionalen Dienstleistern, Forschungseinrichtungen und Kommunen.

Besonders relevant für Unternehmen:

Partnerschaften mit öffentlichen Trägern zur Flächennutzung

Zugang zu Förderungen auf EU- und nationaler Ebene (z. B. Strukturwandel-Fonds, Innovation Funds)

Synergien mit nachhaltigem Standortmarketing, z. B. „grüne Industriegebiete“ mit direkter Versorgung durch lokal erzeugten Strom

Nachhaltigkeit strategisch nutzen

Für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen bieten sich neue Möglichkeiten, Standorte und Produktionsketten mit regionalem Ökostrom zu koppeln – inkl. CO₂-Vorteilen im Scope 2 und positiven ESG-Signalen gegenüber Kund:innen, Investor:innen und Behörden.

Zudem können Unternehmen die Revitalisierung alter Flächen als Teil ihrer Nachhaltigkeitskommunikation nutzen – im Rahmen von Kooperationen oder Kompensationsstrategien.

Der Strukturwandel ist keine Bedrohung, sondern eine Einladung zum Mitgestalten. Ehemalige Kohleflächen sind mehr als Symbolorte – sie werden zum Rohstoff der Energiewende. Wer jetzt in die Entwicklung solcher Projekte einsteigt oder sich aktiv beteiligt, profitiert mehrfach: ökologisch, wirtschaftlich und strategisch.